UNblogged: Wissenschaftliches Bloggen über die Vereinten Nationen

Ein Erfahrungsbericht

Teil des Blog-Karnevals über die deutsche Blogszene in den Internationalen Beziehungen, angestoßen von Ali Arbia in der ZIB

 

Blogging ist in der deutschen IB-Gemeinschaft noch stark unterentwickelt, wie Ali Arbia in seinem aktuellen Beitrag in der Zeitschrift für Internationale Beziehungen herausstellt. Dies ist der Anlass für einen „Blogkarneval“, in dem deutsche IB-Blogs ihre Erfahrungen diskutieren. Auch wir als AG Junge UN-Forschung möchten dazu einen kleinen Beitrag aus unserer bisherigen Erfahrung leisten.

Warum bloggen über die Vereinten Nationen?

Ali Arbia gibt bereits in seinem ZIB-Beitrag einen guten Überblick über die grundsätzlichen Funktionen eines Blogs in der Wissenschaft (Lehre, akademischer Austausch, Kommunikation nach außen, politischer Diskurs). Für unseren Blog, der eine Perspektive von Nachwuchswissenschaftler_innen auf das System der Vereinten Nationen und damit verbundene Themen und Herausforderungen bieten möchte, will ich die Elemente des Austauschs und der Kommunikation herausgreifen.

UN-Forschung kann man aus unterschiedlichen fachlichen Blickwinkeln betreiben, insbesondere Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften dominieren hierbei. Normalerweise sind die jeweiligen Fachdiskurse jedoch mit Scheuklappen verbunden und haben hohe Hürden für einen interdisziplinären Austausch etabliert, insbesondere hinsichtlich Vokabular, Methoden und Forschungsinteresse. Der Blick auf den gleichen empirischen Gegenstand der Vereinten Nationen ermöglicht grundsätzlich, diese Hindernisse etwas aufzureißen. Ein Blog ist dafür besonders geeignet, weil er eine einfachere Sprache benutzt und nicht in anderen Disziplinen unbekannten Zeitschriften versinkt.

Gleichzeitig ermöglicht der Blog, sich an eine potentiell größere Öffentlichkeit zu wenden als in reinen Fachzeitschriften. Gerade für Nachwuchswissenschaftler_innen bietet er geringe Zugangshürden und ermöglicht es, den akademischen Austausch zu einem spezifischen Forschungsgegenstand auf informelle Weise kennen zu lernen. Wir haben zum Beispiel vor kurzem eine Serie zu unserem letzten Forschungskolloquium gestartet, zu der die Autoren einzelner Papiere des jährlich von der AG organisierten Kolloquiums beitragen. Allerdings erreichen die meisten Blogs (noch) nur Leute, die bereits ein Spezialinteresse an den Vereinten Nationen oder IB haben. Diese müssen aber nicht notwendigerweise ein wissenschaftliches Interesse an dem Thema haben.

Ist der Aufwand vertretbar?

Einer der häufigsten Einwände gegen das (wissenschaftliche) Bloggen ist der damit verbundene Zeitaufwand. Davon abgesehen, dass dieser immer mit den angesprochenen Vorteilen aufgewogen werden sollte, ist unsere bisherige Erfahrung recht positiv. Wie mit anderen Dingen im Leben auch geht es mit ein wenig Übung gleich schneller.

Ein Blogbeitrag kann und sollte nie ein „kleiner Zeitschriftenaufsatz“ sein wollen. Man kann nicht einfach einen neuen Aufsatz zusammenfassen, die Sprache und den Aufbau aber im Wesentlichen unverändert lassen. Literaturüberblicke ihrer selbst willen sind genauso fehl am Platze wie (übermäßig) formelle Sprache. Stattdessen kann gerade die notwendige Kürze, Prägnanz und Zuspitzung eines Blogbeitrags sich positiv auf den sonstigen wissenschaftlichen Schreibstil ausüben. Selbst passende Photos zu finden für einen Blogaufsatz kann dazu beitragen, sich auf die wesentliche Botschaft zu konzentrieren.

Berichte, Besprechungen, Kommentare und kurze Essays (siehe unten) für einen Blogbeitrag entstehen idealerweise aus aktuellem Anlass: eine Veröffentlichung, eine Tagung, eine öffentliche Debatte – oder der Mangel einer wissenschaftlichen Perspektive. Ein Blogbeitrag kann nie ein Thema umfassend beleuchten oder alle Evidenz und Theorien abwägen – er kann jedoch auf Widersprüche in Argumenten, Perspektiven bisher nicht beachteter Theoriestränge, oder Ideen für weitere Forschung hinweisen.

Beim Blog Junge UN-Forschung haben wir eine kollektive Redaktion, wobei wir die Zuständigkeit für die Einwerbung oder das Verfassen neuer Beiträge monatlich rotieren. Das eher bescheidene Ziel, jeden Monat mindestens einen Beitrag zu veröffentlichen, lässt sich recht gut mit unseren begrenzten Kapazitäten vereinbaren. Individuelle Beiträge kommentieren und editieren wir ebenfalls gemeinschaftlich. Bereits durch diese Aufteilung und unseren jeweiligen fachlichen Hintergründe stellen wir eine gewisse Interdisziplinarität sicher.

Unterschiedliche Textformate

Hinsichtlich verschiedener Textformate experimentieren wir noch etwas herum (auch das ist gut mit einem Blog möglich). Besprechungen von Büchern, Tagungen des DGVN-Forschungsrats oder anderen Veranstaltungen mit UN-Bezug gehören mittlerweile zu unserem festen Programm. Nach Möglichkeit versuchen wir dabei nicht einfach, die jeweilige Tagung (oder den Text) zusammenzufassen, sondern Querverweise zu wissenschaftlichen Ansätzen und Perspektiven zu liefern. Beispielsweise habe ich mal in einer Ausstellungsrezension ein paar Ideen formuliert, wie sich die Bedeutung von Kunst bei den Vereinten Nationen politikwissenschaftlich näher erforschen ließe.

Genauso sind Meinungsartikel (bei uns: Kommentare) aus der jeweiligen Sicht des Autors ein gutes Textformat für den Blog. Die schnelle Veröffentlichung ermöglicht es, sehr aktuell zu sein, gleichzeitig jedoch, speziell für ein Publikum mit dem Interesse Vereinten Nationen zu schreiben. Wen würde sonst eine Einschätzung eines neuen Expertengremiums des Generalsekretärs interessieren?

Blogging eignet sich ebenfalls sehr gut, um direkt von einer Konferenz kurze Berichte, Interviews und Statements abzusetzen, bzw. dort besprochene Themen in kurzem zeitlichen Abstand aufzunehmen. So haben wir vom Festakt des Auswärtigen Amtes und der DGVN-Fachtagung letztes Jahr zu „40 Jahre deutsche Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen“ eine ganze Reihe von Blogbeiträgen geschrieben. Dieses „Live-Blogging“ sollte die Diskussion online weiter tragen und Interessierten zugänglich machten, die nicht dabei sein konnten. Hier haben wir auch erstmals Kurzinterviews mit Teilnehmern der Tagung geführt, die eine sehr gute Möglichkeit bieten kurze und prägnante Statements einzufangen und einen persönlicheren Einblick bieten. Kurzinterviews führen wir seitdem je nach Möglichkeit und Anlass, wie z.B. über das „High Level Meeting on Disability and Development“.

Zuletzt haben wir auch noch die Kategorie „Essay“, die als kurzer Aufsatz zu einem Thema der UN-Forschung gedacht ist, z.B. eine kurze Einführung in die Arbeit der ILO anhand des damals aktuellen Beispiels des Zusammensturzes der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesh. In diese Kategorie fallen überdurchschnittlich viele Gastbeiträge.

Und liest das überhaupt jemand?

Jeden Tag strömen immer mehr Informationen auf uns ein und wir haben eine stetig wachsende Auswahl von Online-Angeboten. Sich eine Leserschaft zu erarbeiten, ist da eine besondere Herausforderung. Während unsere Zugriffszahlen alles andere als spektakulär sind, gibt es doch ein paar Beispiele dafür, dass unsere Beiträge durchaus interessierte Leser_innen erreichen. So fand der Verlag die Besprechung eines aktuellen Lehrbuchs einer Kollegin so gut, um diese jetzt für die Bewerbung des Buchs zu nutzen. Ich wurde mehrfach von Lesern auf bestimmte Beiträge angesprochen (auch wenn sich dies leider nicht in Kommentaren niederschlug), in der Regel, weil diese über soziale Medien (Facebook, Twitter) davon erfahren hatten und mich persönlich kannten. Die Krönung war aber sicherlich, das Zitat in einem Aufsatz in der angesehen Zeitschrift Global Governance, das ich per Zufall entdeckte und das sich auf einen Veranstaltungsbericht von mir aus Indien bezieht.

Die Zugriffszahlen der Blogbeiträge zeigen, dass solche Artikel, die etwas Neues oder wenig Bekanntes behandeln, häufiger angeklickt werden. Veranstaltungsbesprechungen von Fachtagungen im In- und Ausland oder Kommentare, die eine neue theoretische, empirische oder fachliche Perspektive einbringen, stechen hier hervor. Der beliebteste Beitrag bei uns war die bereits erwähnte Ausstellungsrezension, gefolgt von dem Veranstaltungsbericht aus Indien und verschiedenen Beiträgen und Interviews von der DGVN-Fachtagung letztes Jahr. Auf diese Weise kann ein schnell geschriebener Blogbeitrag Einiges zur Verbreitung der eigenen Forschung beitragen und spannende Debatten anregen, die sonst nicht zustande kommen würden.