Tagungsbericht: Localizing the Sustainable Development Agenda. Städte als Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung?

von Joshua Elsässer

Am 7.-8. September veranstaltete die AG Junge UN-Forschung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Internationale Politik der Universität Potsdam einen interdisziplinären Workshop zum Thema „Localizing the Sustainable Development Agenda: Städte als Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung?“ an der Universität Potsdam. An der Tagung nahmen rund 60 Personen teil, von denen etwa 25 als Vortragende und DiskutantInnen in insgesamt fünf Panels mitwirkten. Die offene Ausrichtung der Tagung ermöglichte den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis und brachte den wissenschaftlichen Nachwuchs mit erfahrenen ForscherInnen zusammen.

Zum Auftakt des Workshops lieferten Thomas Hickmann und Anna Seyfert einen kurzen thematischen Einstieg ins Thema, bevor im ersten Panel kommunale Klima- und Nachhaltigkeitsstrategien in Deutschland diskutiert wurden. Hier präsentierten Fritz Reusswig, Regina Treutwein und Carlo Schick ihre Tagungspapiere. Ein zentraler Punkt war das Phänomen sogenannter „Reallabore“. Hier interagieren ausgewählte Akteure aus der Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in einem Experiment, um potentielle Nachhaltigkeitslösungen auf kommunaler Ebene auszutesten und umzusetzen.

Im zweiten Panel wechselte der Fokus von der deutschen Kommunalebene zu lokalen Nachhaltigkeitsinitiativen im globalen Süden. Zu diesem Thema stellten Angela Hahn, Jacob Manderbach und Pratibha Singh Beiträge aus aktuellen Forschungsprojekten vor. Die folgende Diskussion kreiste vor allem um die Frage, welche Akteure zusammenwirken müssen und wie Initiativen auf der lokalen Ebene repliziert werden können, damit existierende Umwelt- und Entwicklungsprobleme in Städten des globalen Südens bewältigt werden. Darüber hinaus ging es insbesondere um die Partizipationsmöglichkeiten von Städten und lokalen Akteuren bei der Formulierung der globalen Nachhaltigkeitsagenda.

Das dritte Panel befasste sich mit kritischen Perspektiven auf urbane Nachhaltigkeitspolitik(en). Darin stellten Raffael Beier, Michaela Christ und Albert Denk ihre Papiere vor. Sowohl in den Vorträgen als auch in der anschließenden Frage- und Antwortrunde wurde vor allem kritisch über die Indikatoren und definitorischen Konfliktlinien innerhalb der Nachhaltigkeitsziele diskutiert. Damit versuchten die Vortragenden einer Antwort auf die Frage näherzukommen, ob und inwieweit die Zielsetzungen innerhalb der globalen Nachhaltigkeitsagenda die Komplexität der nachhaltigen Entwicklung sowie die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen und innerhalb von Staaten adäquat berücksichtigen.

Im vierten Panel wurden die Wirkungen globaler Nachhaltigkeitskonzepte auf der lokalen Ebene untersucht. Nach Vorträgen von Hannah Birkenkötter und Theresa Zimmermann knüpfte sich eine intensive Diskussion an. Sie drehte sich in erster Linie um die Frage der Zuständigkeit in Bezug auf die nachhaltigen Entwicklungsziele, die zwar auf eine zwischenstaatliche Vereinbarung zurückgehen, ihre konkrete Umsetzung jedoch eine Vielzahl von Akteuren, wie beispielsweise Regionalregierungen, Städte und Kommunen sowie zivilgesellschaftliche und private Akteure einschließt. In diesem Zusammenhang wurde besonders die Rechtsverbindlichkeit der globalen Nachhaltigkeitsagenda reflektiert.

Tagungsbericht: Kulturgüterschutz im System der Vereinten Nationen

 

von Felix Würkert und Flora Tietgen

Vom 8.-10. September 2017 fand an der Leibniz-Universität Hannover der interdisziplinäre Workshop „Kulturgüterschutz im System der Vereinten Nationen“ der AG Junge UN-Forschung in der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen statt. Vier Experte*innen diskutierten mit acht Nachwuchswissenschaftler*innen und einer Gruppe aus ca. 25 Teilnehmer*innen aus Deutschland, Schweiz, Österreich, Frankreich und Italien. Dabei lag die Organisation der Tagung in den Händen von Vincent Widdig.

Kulturgüterschutz verbindet in vielfältiger Weise Fragen der Praxis mit einem zutiefst theoretischen Fundament. Die Frage, was warum schützenswert und schutzbedürftig ist, begleitete den Workshop über die gesamten drei Tage. Dabei spricht es für die Vielfalt der einbezogenen Perspektiven, dass hierzu trotz eines regen Austauschs keine abschließende Antwort, sondern letztendlich ein Mehr an Fragen gab.

Eingeleitet hatte die Tagung, nach einigen freundlichen Worten der Begrüßung durch die Gastgeber*innen, Oberst Dr. Michael Pesendorfer mit einem Key-Note-Vortrag. Aufgrund seiner umfangreichen Erfahrung als Rechtsberater der Österreichischen Streitkräfte und seiner Tätigkeit als Militärattaché in Sarajewo an der Österreichischen Botschaft, konnte er aus internationalen Einsätzen auf dem Balkan, der Ausbildung und Beratung aber auch von den rechtlichen und außerrechtlichen Grundlagen berichten. Er machte deutlich, dass Kulturgüterschutz im bewaffneten Konflikt nicht erst dort relevant wird, wo – wie im Norden Malis, der Brücke von Mostar oder im Ersten Weltkrieg in Leuven – Kulturgüter des vermeintlichen Gegners gezielt angegriffen und zerstört werden. Vielmehr stelle sich die Frage des Kulturgüterschutzes von der Auswahl des Standorts für mögliche Stationierungen bis hin zu logistischen Fragen wie der Befüllung von Sandsäcken.

Am darauf folgenden Tag zeigte sich die Vielfalt des Tagungsthemas erneut in den Vorträgen, die vom digitalen kulturellen Erbe, über die Rolle der UN-Sonderberichterstatter bis hin zum Listensystem als Handlungsform des Kulturgüterschutzes eine enorme Spannbreite aufwiesen. Daran anschließend fand ein Expert*innenpannel statt, in welchem die unterschiedlichen Praxisfelder des Kulturgüterschutzes erörtert wurden. So sprach Prof. Dr. Markus Hilgert als Direktor des Vorderasiatischen Museums über die Rolle von „capacity building“ und Forschung, während Dr. Markus Swittalek, Kulturgüterschutzoffizier des Österreichischen Bundesheeres über die militärischen Kulturgüterschutzstrategien Österreichs und der Arbeit der Organisation Blue Shield berichtete, dessen deutscher Präsident in der Person von Herrn Prof. Hilgert ebenfalls vor Ort seine Expertise beisteuern konnte. Dabei zeigte sich im Dialog, dass in Deutschland ein vergleichbares Konzept flächendeckender Triage – der Auswahl und Priorisierung zu „rettender“ Kulturgüter – nicht existiert, sondern diese Vorbereitung auf den Notfall den einzelnen Institutionen selbst überlassen ist. Vervollständigt wurde das Expert*innenpanel von Dr. Mara Wantuch-Thole, die aus anwaltlicher Perspektive zur Durchsetzbarkeit von Ansprüchen an illegal transferierten Kulturgütern referierte und damit in eine intensive Debatte zum neuen deutschen Kulturgüterschutzgesetz einleitete. Dabei kam häufiger die, wenn auch begrifflich problematische Frage auf, in wie fern es sich beim sog. „grauen“ Kunstmarkt um „Kavaliersdelikte“ handelt. Daran wurde höchst anschaulich das Spannungsfeld verdeutlicht, in welchem Kulturgüter zugleich Schutz- und Wirtschaftsgut sind. Dass zudem die Diskussion über den (post-)kolonialen Ursprung vieler Objekte in deutschen Sammlungen noch am Anfang steht, zeigte der Umstand, dass die (selbst-)kritischsten Wortbeiträge hierzu von Prof. Hilgert kamen, dessen Haus hiervon wohl weit mehr betroffen wäre, als das Betätigungsfeld der restlichen Teilnehmer*innen.

Seinen Abschluss fand der dreitägige Workshop mit Vorträgen, welche die Rolle des Kulturgüterschutzes in bewaffneten Konflikten in den Mittelpunkt rückten. Auch hierbei zeigte sich eine erfreuliche Bandbreite die von der italienischen Initiative der „Blue Helmets for Culture“, über die Präsenz des Kulturgüterschutzes in Militärhandbüchern bis hin zum Verhältnis von Terrorismus und Kulturgüterschutz einerseits und der Rolle der UNESCO bei der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung andererseits eine Vielzahl an Themen abdeckte. Nach dem Ende des Workshops verbleibt die Erkenntnis, wie viel sich hinter dem Begriff des Kulturgüterschutzes verbirgt und der Wunsch nach einer Fortsetzung der inhaltlichen Auseinandersetzung.

ACUNS zu Besuch in Seoul

AM17

von Albert Denk

Die Jahrestagung des Academic Council of the United Nations System (ACUNS) fand dieses Jahr an der Sookmyung Women’s University in Seoul statt. Rund 100 Wissenschaftler*innen versammelten sich unter dem Motto Revitalizing the United Nations for Human Rights, Peace and Development zwischen dem 15. und 17. Juni 2017 in der südkoreanischen Metropole. In der 30-jährigen Historie wurde zum ersten Mal eine ACUNS Jahrestagung auf dem asiatischen Kontinent ausgetragen. Damit wurde ein erster Schritt unternommen, die in Nordamerika entstandene Organisation, für weitere Weltregionen zu öffnen.

Lorraine Elliott stellte zu Beginn der Veranstaltung die Verknüpfung zwischen humanitären sowie entwicklungspolitischen Ansätzen in den Mittelpunkt der Arbeit von ACUNS. Zudem betonte sie die Förderung junger Akademiker*innen und verwies auf den ACUNS Dissertation Award, durch den Wissenschaftler*innen im letzten Jahr ihrer Dissertation gefördert werden können. Han Sung-Joo setzte sich in seiner Keynote-Rede für ein Update internationaler Beziehungen ein, sodass sich die Vereinten Nationen gegen einen ethnisch-geprägten Nationalismus und populistische Entwicklungen positionieren müssen. Sung-Joo sowie viele seine Nachredner*innen kritisierten den Ausstieg der gegenwärtigen US-Regierung aus dem Pariser Klimaabkommen.

Toshiya Hoshino, Sung-han Kim und Xuexian Wang diskutierten aus verschiedenen Perspektiven über die Zukunft der koreanischen Halbinsel. Im Fokus der Debatte stand die zunehmende Bedrohung seitens Nordkoreas und der damit verbundenen Testung nuklearer Waffen. Mehrfach wurde dabei die Bedeutung der Rolle Chinas, der USA und Russlands genannt.

Margaret P. Karns hielt die John W. Holmes Memorial Lecture mit Blick auf die Errungenschaften und Schwierigkeiten von ACUNS. Positiv hob sie die Fachzeitschrift Global Governance hervor, während sie die Unterrepräsentation von Frauen und des „globalen Südens“ in der Organisation kritisierte. Zudem beschrieb sie die Auswirkungen nationaler Politik auf internationale Organisationen als zu wenig erforscht.

Stephen Browne, Modesto Seara Vazquez und Haibin Zhang diskutierten im Anschluss über die Agenda 2030. Während Browne eine äußerst kritische Analyse präsentierte, zeigte Seara Vazquez im Bereich Bildung ein erfolgreiches Beispiel aus Mexiko. Zhang formulierte einen Wandel der globalen Ordnung mit einer stärkeren Führungsrolle Chinas nach dem US-Ausstieg aus dem Klimaabkommen.

Das letzte Plenum war mit Joon Oh, Karin Abbor-Svensson, Francesco Mancini und Sebastian von Einsiedel erneut prominent besetzt. Mit Blick auf die Wahl des neuen Generalsekretärs António Guterres wurden zukünftige Anforderungen an die Vereinten Nationen diskutiert. Thematisiert wurde diesbezüglich die Notwendigkeit einer UN-Reform, die Vereinbarkeit der verschiedenen Schwerpunktthemen, die Stärkung der Menschenrechte sowie die schwierige Umsetzung von UN-Politiken auf nationaler Ebene wie beispielsweise im Bereich Geschlechtergerechtigkeit.

Neben den Diskussionen auf dem Podium rundeten 39 Workshops mit zahlreichen Präsentationen das Programm des diesjährigen Treffens ab. Die nächste ACUNS-Jahrestagung wird in Europa stattfinden. Zwischen dem 12. und 14. Juli 2018 richtet die Libera Università Internazionale degli Studi Sociali (LUISS) das Treffen in Rom aus.

Postkoloniale Perspektiven auf die Vereinten Nationen – verschiedenste Blickwinkel

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von Wiebke Staff

Vom 10.-12. März 2017 fand das 7. jährliche Forschungskolloquium der AG Junge UN-Forschung in der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg statt. Rund 25 Teilnehmer*innen diskutierten zehn Papiere, die aus verschiedenen Perspektiven postkolonial auf die Vereinten Nationen schauten.

Postkoloniale Aspekte finden sich im gesamten internationalen Bereich, insbesondere auch im System der Vereinten Nationen an vielen Stellen: Institutionen blicken oft von außen auf ehemalige Kolonien, ohne die betroffenen Staaten und Menschen mit einzubeziehen, die formale Besetzung wesentlicher Gremien, wie des Sicherheitsrates, ist inhärent kolonial geprägt. Dies machte auch der Einführungsvortrag von Prof. Dr. Sigrid Boysen, Inhaberin der Professur für Öffentliches Recht, insbesondere Völker- und Europarecht, an der Helmut-Schmidt-Universität deutlich. Die Idee der souveränen Gleichheit der Staaten bleibt insbesondere im postkolonialen Völkerrecht eine Idee, ein Konzept, dem in der Realität die massive Ungleichheit der Staaten entgegensteht. Während in der Generalversammlung der Vereinten Nationen insofern mit der Maxime „one State, one vote“ noch eine relative Gleichheit herrscht, ändert sich dies bereits deutlich mit Blick auf andere Gremien und erst recht, wenn man den theoretischen Blickwinkel verlässt und auf die tatsächlichen Verhältnisse der Staaten untereinander schaut. Hier zeigt sich deutlich, wie koloniale Strukturen als Postkolonialismus weiterexistieren.

Mit dem Begriff und Ansatz des Postkolonialismus, insbesondere in den Internationalen Beziehungen, beschäftigte sich dann intensiv der Einstiegsvortrag von Jan Wilkens (Universität Hamburg). Er betonte den bifokalen Ansatz, nachdem zuerst eine empirische Analyse stattfindet, aus der heraus dann normative Strategien entwickelt werden. Anhand des Beispiels der westasiatischen und nordafrikanischen Staaten zeigte er auf, wie Kolonialismus und Postkolonialismus auf diese Region eingewirkt haben und noch einwirken und welche eindrücklichen Folgen sich heute zeigen. Daraus entwickelten sich verschiedenste Problemstellungen, von Universalismus als Postkolonialismus über Auswirkungen auf postkoloniale Ansätze bis hin zu der Frage, wie die Vereinten Nationen mit konkreten postkolonialen Situationen umgehen.

Es zeigte sich, dass innerhalb des Systems der Vereinten Nationen nach wie vor sowohl bei der Teilhabe von Staaten als auch bei der Teilhabe von Menschen eine Benachteiligung der ehemaligen Kolonien vorliegt, die – in bewusster oder unbewusster Weise – aufrechterhalten wird. In bestimmten Zusammenhängen treten die Vereinten Nationen auch selbst als (post-)kolonialer Akteur auf oder werden zumindest als solcher wahrgenommen. Auch die aktive Teilnahme von Staaten oder internationalen Organisationen des globalen Südens an der Arbeit der Vereinten Nationen stellt sich teilweise als (post-)koloniales Verhältnis dar. Deutlich wurde dies auch an verschiedenen Einzelthemen wie dem menschenrechtlichen Relativismus oder dem Prinzip der dauerhaften Souveränität über natürliche Ressourcen.

In den, wie schon in den letzten Jahren nicht von den Autor*innen sondern von Discussants vorgestellten, einzelnen Papieren und noch stärker in der Diskussion zeichneten sich die unterschiedlichsten Perspektiven auf Postkolonialismus und die Vereinten Nationen ab. Hier kam dem Forschungskolloquium auch seine Interdisziplinarität zu Gute: Während der Großteil der Teilnehmer*innen, wie üblich, aus den Bereichen Politik- und Rechtswissenschaft stammte, war in diesem Jahr zum ersten Mal die Anthropologie vertreten und in verstärktem Maße auch die Soziologie. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Disziplinen barg zwar immer wieder auch Schwierigkeiten in der Kommunikation, eröffnete aber den Teilnehmer*innen viele neue Perspektiven.

Auch das Rahmenprogramm leistete in diesem Jahr einen wichtigen Beitrag zu inhaltlichen Diskussionen: Ein Stadtrundgang unter dem Thema „Die Hafencity zwischen kosmopolitischem Flair und kolonialen Echos“ zeigte nicht nur den neusten Hamburger Stadtteil mitten in der Stadt sondern zeigte kritisch die Hamburger koloniale Geschichte und auch den heutigen Umgang mit dieser Geschichte auf. Wir danken der Helmut-Schmidt-Universität herzlich für ihre Gastfreundlichkeit und freuen uns schon auf das 8. Forschungskolloquium im nächsten Jahr.

Protecting civilians as a common endeavour: DGVN expert workshop in Braunschweig

Securing access to besieged areas of Aleppo, increasing patrols around UN House in Juba, or ending refugee maltreatment in Australian detention centres in Nauru: the protection of civilians from immediate harm is one of the core tasks of the United Nations system. There are few issues for which UN actors are so frequently in the news. Senior UN officials routinely criticize state authorities and non-state actors responsible for violence against civilians. Too often, the UN are in the spotlight themselves because they failed to live up to the expectations and responsibilities related to the protection of civilians, for example at the protection of civilians site in Malakal, South Sudan in February this year.

Research on how to better protect civilians from harm is essential in order to enable the UN to fulfil their charter-based mandate: creating a safer, fairer and more prosperous world for all. In this vein, we organized an expert workshop and network meeting on the common theme „Protecting civilians as system-wide challenge for the United Nations“, which took place from 15 to 17 July at the Technische Universitaet Braunschweig, Germany. It brought together around 20 junior scholars from Germany, Europe, the United States, and Brazil in order to facilitate academic exchange and build a network of scholars around the topic. The workshop was designed to take into account perspectives from three major policy fields: humanitarian action, peacekeeping, and human rights. It took place in the context of the German Association of the United Nations and its working group on young UN research.

At a public panel discussion, a dedicated break-out session and the presentation of our own preliminary research, we discussed the distinction between the three policy fields of humanitarian action, peacekeeping, and human rights, as well as open questions and debates within those fields. As the workshop itself took place under Chatham House rules, we only quote from the public panel discussion, and provide a general sense of the discussion during the rest of the event.

Discussing the results of the break-out session

Discussing the results of the break-out session

Humanitarian action, peacekeeping, and human rights perspectives

The official definition of protection approved by the Inter-Agency Standing Committee (IASC) for humanitarian action is much too broad for practical purposes. A tiered, increasingly ambitious understanding of protection is more helpful in that regard: ensuring access to humanitarian aid is the most basic definition of humanitarian protection, followed by ensuring access to protection services. More contentious are the roles humanitarian agencies can play in putting a stop to on-going rights violations, or even in furthering international criminal justice through witness statements and the collection of evidence. For Médecins Sans Frontières, protection frequently equates to really taking the principle of doing no harm seriously, said the director of the agency’s German chapter, Florian Westphal, at the panel discussion. Providing aid to displaced persons must not help armed groups locate them. The public and private advocacy that humanitarian organisations like MSF engage in always needs to make sure that people are actually better protected, even when the agencies want to ensure that they are not being seen as complicit with violations because of their (public) silence, Westphal argued.

UN peacekeeping is a highly political undertaking, even if senior UN officials and member states don’t always recognize it as such, claimed Peter Schumann, former chief of staff of the UN Mission in Sudan and long-term UNDP staff member. As the UN peace operation in South Sudan showed, too often member states create over-ambitious mandates without sufficient resources and political backing to meet the high expectations that the mission will actually protect the population from immediate threats of violence. UN peacekeeping operates largely according to a short-term logic: creating physical security for civilians, responding to their immediate needs. This may sit uncomfortably with the long-term requirement to develop a political strategy, for which the military can create space and which helps the warring parties move to a peaceful way to settle their disputes. Moreover, rhetorical commitments to the effective protection of civilians and national policies of member states in the Security Council as well as of individual troop contributing countries may differ significantly. Germany’s recent evacuation of its police personnel that was supposed to protect women and children as part of the UN Mission in South Sudan was one example mentioned at the workshop.

Human rights agencies have the most long-term perspective of the three policy fields. The Office of the High Commissioner of Human Rights (OHCHR), for example stresses not only that states have a primary responsibility to protect their populations from harm (as do humanitarian and peacekeeping actors). The methods OHCHR lists in its most recent management plan aim to enable rights-holders exercise their rights and to build the capacities of duty-bearers to guarantee fundamental human rights. Someone is always bound by human rights, and someone else is always entitled, as the break out group on human rights protection put it. However, some actors put themselves deliberately outside the international legal system, such as the so-called Islamic State or North Korea. Protecting those who defend human rights on the ground is an important, concrete task for international actors such as peace brigades international, said Christiane Schultz, who founded the organisation’s German section. The Committee on enforced disappearances can issue urgent measures, for example, and conduct country visits to raise individual cases and instigate structural change.

Over the three-day workshop, it became clear that protecting populations from harm is a hugely ambitious and complex undertaking. In all policy fields, there are gaps between rhetorical commitments and implementing promises on the ground. There can be differences between individual mandate-holders, national peacekeeping contingents, missions, institutions, and policy fields.

The main impediment to better protection are not the differences about the meaning, methods and objectives of protection per se – they are the natural and inevitable consequence of varying mandates and contexts. Rather, it is the lack of mutual understanding that leads to gaps in the protection architecture. It also misses out on opportunities to jointly tackle common challenges and recognise each other’s complementarity, in full recognition of their distinct mandates. Thus, there is much to learn from each other. Academic and policy exchange on the theme of protecting civilians from harm needs to intensify (for example here).

Antonio Guterres klarer Sieger bei #SGDebate in London

(c) UN Photo / Jean-Marc Ferré

(c) UN Photo / Jean-Marc Ferré

Dieser Beitrag erscheint auch bei dem DGVN-Themenblog #YourNextSG.

Dank der erfolgreichen zivilgesellschaftlichen Kampagne 1for7billion findet die Wahl des nächsten UN-Generalsekretärs vor dem Hintergrund einer breiten öffentlichen Debatte statt. Im Gegensatz zur Geheimniskrämerei vergangener Jahre kennen wir jetzt nicht nur alle Kandidat*innen, sondern können deren Wahlkampf offen verfolgen. Die öffentliche Veranstaltung im Barbican Centre am 3. Juni 2016 in London bot dazu eine willkommene Gelegenheit (hier zum Nachhören).

Auf Einladung der United Nations Association-UK (UNA-UK), einer der Mitbegründer der 1for7billion-Kampagne, und des Guardian kamen drei der mittlerweile elf Kandidat*innen zu einer neunzigminütigen Diskussionsveranstaltung vor einem über tausendköpfigen Publikum zusammen. Trotz intensiver Bemühungen der UNA-UK hatte leider keine der weiblichen Kandidatinnen zugesagt. Von den drei Anwesenden konnte der ehemalige UN-Hochkommissar für Flüchtlinge und Premierminister Portugals von 1995 bis 2002, António Guterres, am meisten überzeugen, wie die Reaktionen des Publikums vor Ort und auf Twitter bestätigten.

Charisma und öffentliches Auftreten

Die Veranstaltung im Barbican Centre war kein gewöhnliches politisches Duell. Zwar haben die meisten Anwesenden keine Stimme in der Wahl des nächsten UN-Generalsekretärs (abgesehen von anwesenden Diplomaten). Dennoch bemühten sich insbesondere die beiden anderen Kandidaten, der ehemalige Präsident der UN-Generalversammlung Vuk Jeremić und Igor Lukšić, der Außenminister Montenegros, Igor Lukšić, auf das Publikum einzugehen.

Jeremić fragte in seinem Eröffnungsstatement nach Handzeichen, wer glaube die UN liefere so wie sie sollte – wenig überraschend blieben die meisten Hände unten. Er verwies darauf, dass es wichtig sei „echten Menschen“ zuzuhören, forderte das Publikum jedoch wiederholt auf, seinen detaillierten 53-Punkte-Plan zu lesen.

Auf die Publikumsfrage, ob er Feminist sei, antwortete Lukšić, der auch stellvertretender Premierminister seines Landes ist, mit einer Gegenfrage: „Meine Regierung war die erste in der Region, die eine weibliche Verteidigungsministerin ernannte – macht mich das zu einem Feministen?“ Lautes Gegrummel verriet, dass viele im Publikum dies nicht als ausreichend ansahen.

Demgegenüber strahlte der deutlich ältere Guterres Gelassenheit und Erfahrung aus. Auf die Frage des Moderators: „António, are you jealous of Vuk’s 53-point platform?“ entgegnete Guterres, dass er Respekt für alle Kandidaten und deren Ideen habe. Anstatt wie die anderen beiden vage über Herausforderungen wie Klimawandel und Entwicklung zu reden, identifizierte Guterres auf eine entsprechende Publikumsfrage hin tatsächlich eine zentrale globale Herausforderung für die nächsten zehn Jahre: eine effektivere Prävention bewaffneter Konflikte und der Aufbau entsprechender Kapazitäten bei den Vereinten Nationen und den Mitgliedstaaten.

Gute Ideen allein reichen nicht, sie müssen auch umsetzbar sein

Wie kann man bei einer solchen Veranstaltung überhaupt die Beiträge der Kandidaten fair bewerten? Charisma und wirksames öffentliches Auftreten gegenüber einem großen Publikum schaden einem UN-Generalsekretär sicher nicht, können für sich genommen aber nicht überzeugen. Für die in Frage stehende Position sollten meiner Ansicht nach mindestens zwei weitere Aspekte hinzukommen: Politischer Ideenreichtum für das System der Vereinten Nationen sowie Beispiele aus eigener Arbeit, die zeigen, dass sich die Kandidaten auch gegen Widerstände für normative Prinzipien eingesetzt haben.

Wie zu erwarten, ist die inhaltliche Debatte zunächst breit und vage – alle Kandidaten setzen sich für eine „bessere Welt“ und „notwendige Reformen“ im UN-System ein. Gleichzeitig sind einige Vorschläge der Kandidaten durchaus spezifisch und können das UN-System voranbringen, wie die Anhörungen der UN-Generalversammlung zeigen. Hier war es aufschlussreich, wie umsetzbar die Vorschläge der drei Kandidaten schienen – gut klingende Versprechen kann schließlich jeder liefern.

So sprach Jeremić davon, dass er „vom ersten Tag an“ die Hälfte der Sondergesandten des UN-Generalsekretärs mit Frauen besetzen und sich für eine neue Generation von robusten „UN-Stabilisierungsoperationen“ einsetzen würde. Angesichts der bürokratischen Maschine des UN-Sekretariats und der tiefen politischen Gräben zwischen truppenstellenden Staaten und dem UN-Sicherheitsrat klang das, sagen wir, sehr ambitioniert. Lukšić sprach sich derweil für die Einrichtung eines Sondertribunals für UN-Friedenssoldaten aus, denen die sexuelle Ausbeutung der Zivilbevölkerung vorgeworfen werde. Guterres warnte: „I am not sure it will be easy to get that“. Während Jeremić sich für eine – notwendige, aber schwierige – 50-Prozent-Erhöhung des Budgets des Hochkommissars für Menschenrechte aussprach, listete Guterres drei relativ konkrete Maßnahmen auf, wie die Human Rights up Front Initiative des UN-Generalsekretärs vorangebracht werden könnte.

Die Kraft, sich für die richtigen Überzeugungen einzusetzen

Der politische Spielraum jedes UN-Generalsekretärs wird auch in Zukunft eng begrenzt bleiben von den Wünschen und Interessen der Mitgliedstaaten sowie der Behäbigkeit des Apparats, so wichtig neue Ideen und Reformbereitschaft auch sein mögen. Daher sind die grundlegenden Überzeugungen des Amtsinhabers oder der zukünftigen Amtsinhaberin entscheidend. Das wichtigste Argument der Debatte konnte dabei nicht die universalistische, liberale Rhetorik sein, der sich alle drei Kandidaten verschrieben, sondern nachvollziehbare Beispiele aus der eigenen politischen Arbeit. Auch hier hatte Guterres die Nase vorn.

Keiner der drei Kandidaten konnte im Abstrakten erklären, wie er gegenüber den mächtigen Staaten im UN-Sicherheitsrat die Einhaltung globaler Spielregeln anmahnen und gleichzeitig mit ihnen arbeiten würde. Konkrete Beispiele ließen eher einen Schluss auf die Überzeugungskraft der Kandidaten zu: Während Jeremić und Lukšić vor allem auf ihre Reformversprechen verwiesen, führte Guterres wiederholt Beispiele aus einer eigenen politischen Arbeit an. Er erzählte, wie er bereits 1992 Geschlechterquoten in seiner Partei in Portugal eingeführt habe und wie das UNHCR Geschlechtergleichheit in den Führungsgremien erreicht habe. Er betonte jedoch, letztlich käme es auf die Ermächtigung (und nicht nur den Schutz) von Frauen und auf das Mainstreaming von Geschlechtergerechtigkeit an. Das UNHCR habe in den letzten 10 Jahren unter seiner Führung die Verwaltungskosten in der Zentrale von 14 Prozent auf 6.5 Prozent gesenkt und seine Aktivitäten verdreifacht.

Lukšić erzählte von seinem Plan, eine Expertenkommission zur Überprüfung des in den letzten Jahren stark gewachsenen Haushalts, einzusetzen. Dazu meinte Jeremić in einer abwertenden Geste: „I think I am the only person here who has actually chaired the 5th Committee [zuständig für den Haushalt] […]. I think Igor would find it very hard as Secretary-General to pull this particular idea through“.

 

Nach dem trockenen Ban Ki-moon brauchen die Vereinten Nationen einen Generalsekretär, der Menschen inspirieren kann. António Guterres ist ein ernsthafter Kandidat in diesem Rennen. In der Abschlussrunde erzählte er, was ihm Hoffnung mache:

In this last ten years working with refugees, and seeing what it is to be a Syrian family that has seen their house destroyed, friends being killed, moving in dramatic circumstances into Turkey, and then moving into a boat, where they might perish, because they have hope in their future and in the future of their children. When I see their resilience, their courage because they have hope, I think it is our duty not only to be hopeful but to make sure that their hope becomes the true thing”.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob Guterres auch bei den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats punkten kann.

The UN at 70: Diplomacy as the art of the possible

by Gerrit Kurtz

These days, people all over the world commemorate the founding of the United Nations 70 years ago. On 24 October 1945, the UN Charter entered into force and a new international organization was born out of the ashes of the Second World War and the Holocaust. Today, commemorating the UN is often an occasion to question its continuing relevance, and stress the need for its wholesale reform. Even UN enthusiasts are resigned; the best argument put forward is usually along the lines: there is no alternative to this universal international organization that provides a forum for world leaders, an authority on international norms, and a lifeline for millions affected by conflict, poverty, and disease.

The atmosphere was decidedly more upbeat at the recent commemorative event organized by the United Nations Association UK (UNA-UK), the civil society organization in the United Kingdom devoted to the United Nations. Bringing together around 1,000 guests in the medieval Guildhall in central London, the discussions and keynote speech underlined the nature of multilateral diplomacy. It is the art of the possible and often up to individuals, exploring the opportunities that lie in “the space between where your instructions end and you as a thinking negotiator invest your own thought”, High Commissioner for Human Rights Zeid Ra’ad al-Hussein said once to The New York Times. His remarks at the event reflected this insight, just as much as the thorough recommendations from Gro Harlem Brundtland, former Prime Minister of Norway, and Hina Jilani, Pakistani Supreme Court Advocate in the panel discussion preceding the High Commissioner’s keynote. Both are members of The Elders, an advocacy organization on peace and human rights founded by Nelson Mandela.

Holding such an event in London had a particular historic significance: Just a few miles from Guildhall, the UN General Assembly met for the first time on 10 January 1946 in Westminster Methodist Central Hall. The UN Security Council followed a week later, with a meeting in Church House in Westminster, London.

More transparency for the Secretary General’s election and the use of the veto

Seventy years later, everyone agrees that the UN needs reform, but opinions diverge how that can be achieved. Three examples highlight areas where consistent advocacy and careful negotiations can advance the overall effectiveness and legitimacy of the United Nations and its work: electing the new Secretary General, the use of the veto in the Security Council, and transitional justice in Sri Lanka.

At the end of next year, the UN will choose a new Secretary-General, as Ban Ki-moon’s second term comes to an end. Traditionally, the five permanent members of the Security Council have decided on the final candidate just by themselves, without public debate, campaigns, or any meaningful inclusion of the General Assembly which could only confirm the lowest common denominator candidate the five powers could agree on. Improving this process is important, as Gro Harlem Brundtland outlined, as the Secretary General can prove an influential normative leader. To be able to work for the world community, he (or she!) needs to be independent and impartial, and all countries need to have the feeling that the Secretary General represents their common interest.

For this purpose, UNA-UK started the 1for7billion campaign. Its objective is to make the selection process of the Secretary General more transparent, including encouraging member states to suggest candidates that would run on an open platform, spelling out official criteria for the selection, informal meetings with the candidates by the General Assembly, and encouraging a female candidate.

Unrealistic? Requires a charter change? Actually, on 11 September 2015, the General Assembly adopted a resolution outlining all of the above principles. Activists, including The Elder member Brundtland, would like to see further changes such as limiting the term of the SG to one, non-renewable seven-year term, and the actual submission of more than once candidate by the Security Council to the General Assembly. Still, the 1for7billion campaign is a primary example how a civil society-led campaign can push the boundaries of multilateral diplomacy further.

The issue of restraining permanent members from using their veto in the Security Council is a tougher nut to crack. The French government, as well as a group of member states called the “Accountability, Coherence and Transparency Group” (ACT) have assembled 73 member states behind their pledge not to use the veto in case of mass atrocities. Recently, the UK joined the French in signing up to the code of conduct for the permanent members, leaving the US, Russia, and China, which have all declared their opposition to the proposal. Here, The Elders member Jilani advocated that permanent members should at least be required to explain their position publicly, if they do decide to resort to the veto. This explanation could then provide the basis for further deliberation – and further pressure to find an agreeable solution.

Transitional justice in Sri Lanka

Lastly, High Commissioner for Human Rights Zeid delivered a passionate plea for the value of human rights in our time: refugees crossing a border illegally should not be regarded as criminals, he said. More than any other high-level official in the UN system, his office confronts him with evidence of the worst offences against ordinary human beings on a daily basis. Recounting a recent visit to Mexico, where he met with families of some of the 26,000 persons that have disappeared in recent years, he vented his frustration and despair: “It leaves you feeling empty”, he said. Still, “if we did nothing, the situation would have no chance of getting better”, he added defiantly.

Transitional justice in Sri Lanka is a recent example what a careful diplomatic approach can accomplish. On 1 October, the UN Human Rights Council adopted a resolution, in congruence with the Sri Lankan government, recommending a host of measures designed to advance the process of reconciliation, accountability and non-recurrence more than six years after the end of the brutal civil war in the island nation. One particularly hard-fought issue was the inclusion of international judges in the judicial mechanism to investigate crimes and try perpetrators for international crimes.

Despite its general openness to work with international partners on reconciliation and accountability, the new Sri Lankan government had promised its electorate at home that alleged perpetrators would only be tried by domestic judges. For the high commissioner, as well as the UK and the US as main sponsors of the resolution, the decades-long history of delayed and flawed trials for human rights abuses in Sri Lanka meant that some international element was going to be crucial to make the mechanism meaningful. After hurried last-minute negotiations, the Sri Lankan diplomats finally agreed to the “participation of… Commonwealth and other foreign judges” in the Sri Lankan mechanism.

As Sir Jeremy Greenstock, chairman of UNA-UK, asked the High Commissioner whether he believed that this was actually enough, the latter pointed out that the Human Rights Council adopted his recommendations “almost in total” and that there was “immense legal expertise” in Sri Lanka. He is due to travel to the country until the end of the year to further clarify the implementation of the resolution.

Public consultations for the election of the new Secretary General, a code of conduct for Security Council action in situations of mass atrocities, and redress for massive human rights violations during Sri Lanka’s civil war: three recent examples how diplomacy, pushed by strong civil society advocacy, can make a difference at the United Nations. In a time where public debate is dominated by the failures of UN member states in Syria and Ukraine, as well as of UN staff in the Central African Republic or Darfur, it is important to highlight the role of individuals and their actions in international crises. Given a window of opportunity, individual diplomats, senior UN officials and civil society activists can meaningfully contribute to make the vision of the UN Charter a living reality, bit by bit.

UNblogged: Wissenschaftliches Bloggen über die Vereinten Nationen

Ein Erfahrungsbericht

Teil des Blog-Karnevals über die deutsche Blogszene in den Internationalen Beziehungen, angestoßen von Ali Arbia in der ZIB

 

Blogging ist in der deutschen IB-Gemeinschaft noch stark unterentwickelt, wie Ali Arbia in seinem aktuellen Beitrag in der Zeitschrift für Internationale Beziehungen herausstellt. Dies ist der Anlass für einen „Blogkarneval“, in dem deutsche IB-Blogs ihre Erfahrungen diskutieren. Auch wir als AG Junge UN-Forschung möchten dazu einen kleinen Beitrag aus unserer bisherigen Erfahrung leisten.

Warum bloggen über die Vereinten Nationen?

Ali Arbia gibt bereits in seinem ZIB-Beitrag einen guten Überblick über die grundsätzlichen Funktionen eines Blogs in der Wissenschaft (Lehre, akademischer Austausch, Kommunikation nach außen, politischer Diskurs). Für unseren Blog, der eine Perspektive von Nachwuchswissenschaftler_innen auf das System der Vereinten Nationen und damit verbundene Themen und Herausforderungen bieten möchte, will ich die Elemente des Austauschs und der Kommunikation herausgreifen.

UN-Forschung kann man aus unterschiedlichen fachlichen Blickwinkeln betreiben, insbesondere Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften dominieren hierbei. Normalerweise sind die jeweiligen Fachdiskurse jedoch mit Scheuklappen verbunden und haben hohe Hürden für einen interdisziplinären Austausch etabliert, insbesondere hinsichtlich Vokabular, Methoden und Forschungsinteresse. Der Blick auf den gleichen empirischen Gegenstand der Vereinten Nationen ermöglicht grundsätzlich, diese Hindernisse etwas aufzureißen. Ein Blog ist dafür besonders geeignet, weil er eine einfachere Sprache benutzt und nicht in anderen Disziplinen unbekannten Zeitschriften versinkt.

Gleichzeitig ermöglicht der Blog, sich an eine potentiell größere Öffentlichkeit zu wenden als in reinen Fachzeitschriften. Gerade für Nachwuchswissenschaftler_innen bietet er geringe Zugangshürden und ermöglicht es, den akademischen Austausch zu einem spezifischen Forschungsgegenstand auf informelle Weise kennen zu lernen. Wir haben zum Beispiel vor kurzem eine Serie zu unserem letzten Forschungskolloquium gestartet, zu der die Autoren einzelner Papiere des jährlich von der AG organisierten Kolloquiums beitragen. Allerdings erreichen die meisten Blogs (noch) nur Leute, die bereits ein Spezialinteresse an den Vereinten Nationen oder IB haben. Diese müssen aber nicht notwendigerweise ein wissenschaftliches Interesse an dem Thema haben.

Ist der Aufwand vertretbar?

Einer der häufigsten Einwände gegen das (wissenschaftliche) Bloggen ist der damit verbundene Zeitaufwand. Davon abgesehen, dass dieser immer mit den angesprochenen Vorteilen aufgewogen werden sollte, ist unsere bisherige Erfahrung recht positiv. Wie mit anderen Dingen im Leben auch geht es mit ein wenig Übung gleich schneller.

Ein Blogbeitrag kann und sollte nie ein „kleiner Zeitschriftenaufsatz“ sein wollen. Man kann nicht einfach einen neuen Aufsatz zusammenfassen, die Sprache und den Aufbau aber im Wesentlichen unverändert lassen. Literaturüberblicke ihrer selbst willen sind genauso fehl am Platze wie (übermäßig) formelle Sprache. Stattdessen kann gerade die notwendige Kürze, Prägnanz und Zuspitzung eines Blogbeitrags sich positiv auf den sonstigen wissenschaftlichen Schreibstil ausüben. Selbst passende Photos zu finden für einen Blogaufsatz kann dazu beitragen, sich auf die wesentliche Botschaft zu konzentrieren.

Berichte, Besprechungen, Kommentare und kurze Essays (siehe unten) für einen Blogbeitrag entstehen idealerweise aus aktuellem Anlass: eine Veröffentlichung, eine Tagung, eine öffentliche Debatte – oder der Mangel einer wissenschaftlichen Perspektive. Ein Blogbeitrag kann nie ein Thema umfassend beleuchten oder alle Evidenz und Theorien abwägen – er kann jedoch auf Widersprüche in Argumenten, Perspektiven bisher nicht beachteter Theoriestränge, oder Ideen für weitere Forschung hinweisen.

Beim Blog Junge UN-Forschung haben wir eine kollektive Redaktion, wobei wir die Zuständigkeit für die Einwerbung oder das Verfassen neuer Beiträge monatlich rotieren. Das eher bescheidene Ziel, jeden Monat mindestens einen Beitrag zu veröffentlichen, lässt sich recht gut mit unseren begrenzten Kapazitäten vereinbaren. Individuelle Beiträge kommentieren und editieren wir ebenfalls gemeinschaftlich. Bereits durch diese Aufteilung und unseren jeweiligen fachlichen Hintergründe stellen wir eine gewisse Interdisziplinarität sicher.

Unterschiedliche Textformate

Hinsichtlich verschiedener Textformate experimentieren wir noch etwas herum (auch das ist gut mit einem Blog möglich). Besprechungen von Büchern, Tagungen des DGVN-Forschungsrats oder anderen Veranstaltungen mit UN-Bezug gehören mittlerweile zu unserem festen Programm. Nach Möglichkeit versuchen wir dabei nicht einfach, die jeweilige Tagung (oder den Text) zusammenzufassen, sondern Querverweise zu wissenschaftlichen Ansätzen und Perspektiven zu liefern. Beispielsweise habe ich mal in einer Ausstellungsrezension ein paar Ideen formuliert, wie sich die Bedeutung von Kunst bei den Vereinten Nationen politikwissenschaftlich näher erforschen ließe.

Genauso sind Meinungsartikel (bei uns: Kommentare) aus der jeweiligen Sicht des Autors ein gutes Textformat für den Blog. Die schnelle Veröffentlichung ermöglicht es, sehr aktuell zu sein, gleichzeitig jedoch, speziell für ein Publikum mit dem Interesse Vereinten Nationen zu schreiben. Wen würde sonst eine Einschätzung eines neuen Expertengremiums des Generalsekretärs interessieren?

Blogging eignet sich ebenfalls sehr gut, um direkt von einer Konferenz kurze Berichte, Interviews und Statements abzusetzen, bzw. dort besprochene Themen in kurzem zeitlichen Abstand aufzunehmen. So haben wir vom Festakt des Auswärtigen Amtes und der DGVN-Fachtagung letztes Jahr zu „40 Jahre deutsche Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen“ eine ganze Reihe von Blogbeiträgen geschrieben. Dieses „Live-Blogging“ sollte die Diskussion online weiter tragen und Interessierten zugänglich machten, die nicht dabei sein konnten. Hier haben wir auch erstmals Kurzinterviews mit Teilnehmern der Tagung geführt, die eine sehr gute Möglichkeit bieten kurze und prägnante Statements einzufangen und einen persönlicheren Einblick bieten. Kurzinterviews führen wir seitdem je nach Möglichkeit und Anlass, wie z.B. über das „High Level Meeting on Disability and Development“.

Zuletzt haben wir auch noch die Kategorie „Essay“, die als kurzer Aufsatz zu einem Thema der UN-Forschung gedacht ist, z.B. eine kurze Einführung in die Arbeit der ILO anhand des damals aktuellen Beispiels des Zusammensturzes der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesh. In diese Kategorie fallen überdurchschnittlich viele Gastbeiträge.

Und liest das überhaupt jemand?

Jeden Tag strömen immer mehr Informationen auf uns ein und wir haben eine stetig wachsende Auswahl von Online-Angeboten. Sich eine Leserschaft zu erarbeiten, ist da eine besondere Herausforderung. Während unsere Zugriffszahlen alles andere als spektakulär sind, gibt es doch ein paar Beispiele dafür, dass unsere Beiträge durchaus interessierte Leser_innen erreichen. So fand der Verlag die Besprechung eines aktuellen Lehrbuchs einer Kollegin so gut, um diese jetzt für die Bewerbung des Buchs zu nutzen. Ich wurde mehrfach von Lesern auf bestimmte Beiträge angesprochen (auch wenn sich dies leider nicht in Kommentaren niederschlug), in der Regel, weil diese über soziale Medien (Facebook, Twitter) davon erfahren hatten und mich persönlich kannten. Die Krönung war aber sicherlich, das Zitat in einem Aufsatz in der angesehen Zeitschrift Global Governance, das ich per Zufall entdeckte und das sich auf einen Veranstaltungsbericht von mir aus Indien bezieht.

Die Zugriffszahlen der Blogbeiträge zeigen, dass solche Artikel, die etwas Neues oder wenig Bekanntes behandeln, häufiger angeklickt werden. Veranstaltungsbesprechungen von Fachtagungen im In- und Ausland oder Kommentare, die eine neue theoretische, empirische oder fachliche Perspektive einbringen, stechen hier hervor. Der beliebteste Beitrag bei uns war die bereits erwähnte Ausstellungsrezension, gefolgt von dem Veranstaltungsbericht aus Indien und verschiedenen Beiträgen und Interviews von der DGVN-Fachtagung letztes Jahr. Auf diese Weise kann ein schnell geschriebener Blogbeitrag Einiges zur Verbreitung der eigenen Forschung beitragen und spannende Debatten anregen, die sonst nicht zustande kommen würden.

Bündiges Orientierungswissen zu den Vereinten Nationen

Rezension – Gareis, Sven Bernhard/Varwick, Johannes 2014: Die Vereinten Nationen: Aufgaben, Instrumente und Reformen, 5. vollst. überarb. u. aktual. Aufl., Barbara Budrich: Opladen/Toronto, UTB-Bandnr. 8328, ISBN 978-3-8252-8573-9, 428 S., 19,99 EUR.

von Carolin Anthes

Der Sparte Lehrbuch haftet in Zeiten der ausdifferenzierten Debattenkultur unserer Disziplin fast schon etwas zweifelhaft Anachronistisches an. Sie erweckt den Anschein als gäbe es einen fest und zudem objektiv umreißbaren Wissens-, Methoden-, und Theoriebestand, der Studierenden wohldosiert und unproblematisch verabreicht werden könne. Was hier überspitzt formuliert wird, verliert da an Schlagkraft, wo Lehrbuchautor_innen (selbst-)reflektiert an die Sache herangehen und deutlich machen, dass jede Strukturierung und Auslassung per se schon selektiv ist und kein objektiver Wissensbestand oder gar ein letztgültiges Deutungsmuster unterbreitet werden soll. Gerade aufgrund der überbordenden Vielfalt und Dichte dürsten v.a. Einsteiger_innen in die Disziplin verständlicherweise nach Inseln der Orientierung in der schieren Flut der Informationsmenge.

So hat sich das Lehr- und Studienbuch „Die Vereinten Nationen: Aufgaben, Instrumente und Reformen“ von Sven Bernhard Gareis und Johannes Varwick mittlerweile als Standardwerk in jeder ernst zu nehmenden politikwissenschaftlichen Bibliothek des deutschen Sprachraums zum Thema UN etablieren können. Anfang des Jahres ist mit der 5. Auflage eine vollständig überarbeitete und aktualisierte Fassung vorgelegt worden, die nach einem kritisch-würdigenden Blick verlangt.

Die Zielsetzung ist so klar wie der Inhalt strukturiert: Das Werk „will in gewohnter Weise in die zentralen Tätigkeitsfelder der Vereinten Nationen einführen, ihre Reformperspektiven bewerten und die Rolle der Weltorganisation in der internationalen Politik diskutieren“, wofür es an neue Entwicklungen in den Vereinten Nationen sowie in der internationalen Politik angepasst wurde (Vorwort).

Beibehalten wurde die Gliederung der 4. Auflage. Im einführenden Teil A „Die Vereinten Nationen zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ geben die Autoren einen konzisen Überblick über das System der UN, ihre Geschichte, Kernnormen der Charta, Hauptorgane und -akteure. Zudem führen sie in zentrale politikwissenschaftliche Analysekategorien und Theorieansätze zu internationalen Organisationen ein. Ein Abschnitt der notgedrungen nur an der  Oberfläche des state of the art zu kratzen vermag, aber der Leserschaft immerhin eine Idee von Werkzeugen zur wissenschaftlichen Durchdringung der Materie vermittelt. Allerdings ist fraglich, ob z.B. die vielfältigen konstruktivistischen Ansätze in den Internationalen Beziehungen unter der Kategorie „konstruktivistische Schule“ gefasst werden sollten, hier fehlt der Platz für Problembewusstsein, was paradigmatisch den Nachteil eines solch kurzen Überblicksabschnittes verdeutlicht.

Teil B widmet sich dem „Instrumentarium im Bereich der Friedenssicherung“. Das zentrale Prinzip der kollektiven Sicherheit wird mitsamt seiner normativen Grundlagen, historischem Kontext sowie offenkundigen Problemzonen, wie z.B. die Selektivität und mangelnde Legitimität des Sicherheitsrates als Gewaltlegitimationsinstanz, vorgestellt. In einem zweiten Abschnitt nehmen die Autoren die sich wandelnde Praxis der UN-Friedenssicherung von ihren Anfängen bis heute in den Blick und mit ihr auch zentrale Entwicklungen des weltweiten Kriegsgeschehens. Neben einer gründlichen Darstellung der Debatte zu den verschiedenen „Generationen“ der Friedenssicherung im UN-Rahmen finden hier u.a. auch die Bereiche Rüstungskontrolle, Prävention und der globale Terrorismus Berücksichtigung. Das eigenständige Kapitel zum Irak-Krieg von 2003 aus der 4. Auflage wurde fallen gelassen, hinzu kam ein Abschnitt zur neu geschaffenen Kommission für Friedenskonsolidierung.

Teil C stellt mit dem Menschenrechtsschutz das Instrumentarium eines weiteren großen Tätigkeitsfeldes der UN vor. Normative Entwicklung, Kodifizierung und Ausgestaltung werden angefangen bei der UN-Charta und der internationalen Menschenrechtscharta (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Zivil- und Sozialpakt) thematisiert. Die verschiedenen Normbereiche, zugehörige Konventionen, Vertragsorgane und Verfahren werden skizziert. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem neu gegründeten Menschenrechtsrat und dem Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) in Genf. Neben einer recht ausführlichen Diskussion zur internationalen Strafgerichtsbarkeit legen die Autoren ihr Augenmerk auf neuere Entwicklungen zur internationalen Schutzverantwortung (Responsibility to Protect, R2P) und ziehen eine vorläufige Bilanz.

Teil D wendet sich schließlich dem Instrumentarium in den Feldern Wirtschaft, Entwicklung und Umwelt zu. Auch hier bleibt die inhaltliche Struktur erhalten: Nord-Süd-Thematik, Grundgerüst der UN-Entwicklungszusammenarbeit und Millenniumentwicklungsziele werden genauso behandelt wie z.B. Flüchtlingsschutz, humanitäre Hilfe, Bevölkerungsfragen und Umwelt- sowie Klimapolitik.

Teil E „Reform und Neuorientierung der Vereinten Nationen“ greift die bekannten und weniger bekannten Reformdiskussionen auf, neben institutionellen Reformdebatten, z.B. den Sicherheitsrat und das Management betreffend, thematisieren die Autoren Diskussionen im Bereich des Völkerrechts und vertiefen Reformansätze in den Sparten Friedenssicherung, Menschenrechtsschutz und Wirtschaft, Entwicklung, Umwelt. Die Autoren beweisen eindrucksvoll, dass es an hartnäckigem Reformbedarf jedenfalls nicht mangelt und sich „UN-Reform“ als mühsamer, langfristiger aber unabdingbarer Prozess darstellt. Neu hinzugekommen sind hier der R2P-Diskurs, die post-2015 Debatte zu neuen Entwicklungs- bzw. Nachhaltigkeitszielen sowie Tendenzen zur Club Governance. Der Ausblick und die Thesen zur Zukunft der Vereinten Nationen spitzen bewusst zu und eignen sich gerade wegen ihres spekulativen Charakters zum Diskussionseinstieg.

Offenbar hat sich das Modell der vorangegangenen Auflagen bewährt und der Inhalt wurde im Vergleich zwar aktualisiert aber wohl kaum „vollständig überarbeitet“. Dies äußert sich an manchen Stellen negativ, wo neuere Entwicklungen nicht ganz stolperfrei in den alten Argumentationsgang eingepflegt wurden. So wirkt das Anführen des neuen Organs UN Women unter der Rubrik „Bevölkerungsfragen“ seltsam deplatziert (S. 278), wenngleich die Autoren im Reformteil E noch einmal kurz auf das Organ zu sprechen kommen. Auch die treffenden Überlegungen zu Tendenzen der Club Governance könnten sich schlüssiger in den vorhandenen Abschnitt zur Global Governance, der ohnehin von einigen Redundanzen geprägt ist, einfügen (ab. S. 345).

Im Teil C zum Menschenrechtsschutz, den ich hier herausgreifen will, ist der starke Fokus auf humanitäre Interventionen und die R2P im Bereich „Neuere Ansätze und Perspektiven“ zwar verständlich und auch begrüßenswert, da die sich hierum spinnenden Debatten tatsächlich wie kaum ein anderes Thema die Vereinten Nationen in den letzten Jahren beschäftigt haben, allerdings geht dies auf Kosten ebenfalls wichtiger Entwicklungen im globalen Menschenrechtsbereich. So z.B. die erstarkende Debatte um extraterritoriale Staatenpflichten (ETOs) oder Menschenrechtspflichten von Unternehmen („Protect, Respect and Remedy Framework“, auch bekannt als „Ruggie Framework“), die auch im kurzen Abschnitt zum Global Compact (Teil A, S. 61) nicht erwähnt werden. Auch bin ich verhaltener, was die Prognose der Autoren, die Phase des standard setting und der Kodifikation nähere sich ihrem Ende (S. 204), anbelangt. Seit einigen Jahren werden Anstrengungen unternommen um z.B. ein Menschenrecht auf Land oder aber Menschenrechte älterer Personen auszugestalten und zu kodifizieren – die Normsetzungsaktivitäten sind hier in vollem Gange. Überdies hat sich die Verankerung der Menschenrechte als Querschnittsaufgabe (human rights mainstreaming) bereits über einen Reformvorschlag (S. 327) hinausentwickelt. So schuf die UN Development Group 2009 einen Mechanismus (UNDG Human Rights Mainstreaming Mechanism), der sich dieser Aufgabe im Entwicklungsbereich widmet und der Menschenrechtsrat hat das Thema jährlich in Form eines High-level Panels auf der Agenda. Allerdings leuchtet es ein, dass Auslassungen durch Prioritätensetzung in einem solchen Überblicksband kaum zu vermeiden sind. Hierdurch vorgenommene Gewichtungen müssen aber dennoch kritisch geprüft und diskutiert werden, gerade auch aufgrund des „Lehrbuchanspruches“ und der breiten Rezeption des Werkes.

Dabei muss den beiden Autoren zugute gehalten werden, dass die analysierende, einordnende und wertende Autorenstimme klar sichtbar ist und die Leser_innen sich hierzu positionieren können und sollen. Das Werk liefert somit weitaus mehr als eine „deskriptive“ Darstellung der Arbeit der Vereinten Nationen und erfüllt somit die selbst gesteckten Ziele. Zudem führt es in den wissenschaftlichen Diskurs zu den Vereinten Nationen ein und zahlreiche weitere Forscher_innen kommen selbst zu Wort. Insgesamt gelingt es den Autoren, ein differenziertes und leicht verständliches Bild der heterogenen „UN-Familie“ und ihrer historischen sowie gegenwärtigen Herausforderungen zu zeichnen. Sie werden hierbei auch nicht müde, immer wieder auf einen wichtigen Punkt aufmerksam zu machen: Ebenso wenig wie es „die“ UN gibt, darf bei allem UN bashing niemals vergessen werden,  dass die Vereinten Nationen als intergouvernementale Organisation maßgeblich vom politischen Willen und Engagement der Mitgliedstaaten abhängig ist und bleibt. Dies zu unterschlagen verzerre zu Unrecht das Bild der Handlungsmacht der Weltorganisation, die nur „so weit agieren [könne], wie es die sie tragenden Staaten nach Abwägung der eigenen Interessen gestatten.“ (S. 295) Das Werk versteht es, das Interesse für die Vereinten Nationen und deren differenzierte, historisch informierte Bewertung zu wecken und animiert zum Weiterlesen und -denken. Zu Recht hat es sich einen zentralen Platz im Bereich der Einführungsliteratur der UN Studies erarbeitet, Studierende und Interessierte werden auch weiterhin von der Lektüre und den angebotenen Inseln der Orientierung profitieren.

In einer wissenschaftlichen Diskussion konstatierte kürzlich der renommierte Völkerrechtler Martti Koskenniemi leidenschaftlich-lapidar: „I don’t believe in the United Nations!“ (Vortrag am 11. Juni 2014 an der Goethe-Universität Frankfurt). Ich bin überzeugt davon, dass Gareis’ und Varwicks Werk es den Leser_innen schwer machen wird, ein solch pauschales und defätistisches Urteil zu fällen. Was könnten ernst zu nehmende Lehrbuchautoren mehr wollen?

4. UN-Forschungskolloquium

Fragmentierung und Kohärenz im System der Vereinten Nationen – zwei Seiten einer Medaille?

Vom 9. bis 11. Mai 2014 fand das 4. UN-Forschungskolloquium in Bonn unter dem Oberthema Fragmentierung und Kohärenz im System der Vereinten Nationenin Kooperation mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) statt. Dieser Themenwahl lag die Beobachtung zu Grunde, dass sich die Global Governance-Architektur hinsichtlich ihrer Normen, der beteiligten Institutionen und Akteure sowie der politischen Ziele zunehmend ausdifferenziert. 

Im Kolloquium diskutierten mehr als fünfundzwanzig Teilnehmer_innen aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen die Ursachen, Effekte und politischen sowie normativen Implikationen, die aus Kohärenzbemühungen und Fragmentierungsprozessen resultieren. Teil des Programms war zudem ein Besuch des UN-Campus in Bonn, eine Keynote Speech von Dr. Stephan Klingebiel, Leiter der Abteilung bi- und multilaterale Entwicklungspolitik des DIE, sowie die Verleihung des DGVN-Dissertationspreises mit Diskussionsrunde im Alten Rathaus Bonn.

Gruppenphoto FK2014

Kohärenz vs. Fragmentierung

In der disziplinübergreifenden Diskussion hat sich schnell gezeigt, dass die mit diesen Begriffen oft implizit verbundenen positiven und negativen Konnotationen so nicht Bestand haben. Im Gegenteil – das Zusammenwirken verschiedener Akteure und Institutionen zur Erreichung gemeinsamer, übergeordneter Ziele kann auch aus Prozessen der Differenzierung resultieren, in welchen die Sichtbarkeit der Akteure gestärkt wird. Fragmentierungs- und Kohärenzprozesse auf Ebene der Akteure, Normen und Ziele bedingen sich gegenseitig. Daher können Kohärenzdefizite sowohl Fragmentierung kennzeichnen, als auch als deren Ursache gelten. Als Reaktionen auf unzureichende Strukturen kann es sich bei Fragmentierungsprozessen  um Regelfindungsprozesse handeln.

Welche Konsequenzen resultieren aus Fragmentierung?

Die Konsequenzen dieser Prozesse sind ambivalent. Zum einen können sowohl Synergien als auch Kooperationen entstehen und Flexibilität befördert werden. Zum anderen ist damit ein Anstieg des Koordinationsbedarfs als auch der Transaktionskosten verbunden. Somit kann sowohl Inklusivität, im Sinne einer größeren Beteiligung von Akteuren, befördert werden, die aber gleichzeitig auch zu einer Marginalisierung anderer Akteure führen kann. Auf Ebene der Inhalte wird das Mainstreaming von Themen im Bereich der politischen Ziele der VN im Besonderen im Kontext der Post-2015 Debatte sichtbar – mit all seinen Herausforderungen.

Wie umgehen mit Fragmentierung?

Standardisierung, Umbau durch Aufgabenerweiterung, eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips oder Embracing Pluralism?– diese Möglichkeiten des Umgangs mit Fragmentierung konnten wir aus den Papieren extrahieren. Es wurde aber vor allem deutlich, dass es einer breiteren theoretischen Unterfütterung bedarf, um Fragmentierung und Kohärenz im System der Vereinten Nationen erfassen und analysieren zu können.

Die drei Tage der intensiven Diskussion haben nicht zu einer vollständigen Klärung oder umfassenden Definition beider Begriffe beigetragen. Dafür haben sie uns einen neuen Blick, neue Perspektiven und vor allem neue Zugänge zur ihrer weiteren Analyse eröffnet. Genau dieser reflektierte, interdisziplinärere Austausch ist es, der das UN-Forschungskolloquium zu einem besonderen und inspirierenden Ort für Nachwuchswissenschaftler_innen macht. Wir freuen uns auf das 5. UN-Forschungskolloquium im nächsten Jahr!