In Kiel hat das 6. UN-Forschungskolloquium stattgefunden

Bereits zum sechsten Mal fand vom 22.-24. April 2016 das jährliche Kolloquium der Arbeitsgemeinschaft Junge UN-Forschung statt, dieses Jahr unter dem Titel „Nichtstaatliche Akteure und die Vereinten Nationen“. In Kooperation mit dem Walther-Schücking-Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel diskutierten rund 25 Teilnehmer*innen insgesamt sieben Papiere.
Nichtstaatliche Akteure treten in verschiedenen Formen und unterschiedlichsten Politikfeldern auf. Neben lange etablierten Kooperationsbeziehungen zwischen NGOs und einzelnen Organen der Vereinten Nationen, insbesondere dem Wirtschafts- und Sozialrat, spielen nichtstaatliche Akteure heute auch in solchen Bereichen eine zunehmend wichtige Rolle, die lange als Domäne des Staates galten, so etwa in der Friedenssicherung. Zum einen nehmen sowohl Staaten als auch die Vereinten Nationen selbst zunehmend private Sicherheitsdienstleiter in Anspruch, um bestimmte Aufgaben in komplexen Friedensmissionen auszuführen. Zum anderen gilt es, bewaffnete Gruppen und andere lokale Akteure, die nicht an den Staat gebunden sind, in Friedensprozesse einzubinden.
Die Vielfalt nichtstaatlicher Akteure als Ausdruck einer „Privatisierung der Weltpolitik“ (Brühl, Debiel et al. 2001) betonte auch Prof. Dr. Andreas von Arnauld. In seinem Einführungsvortrag beschrieb der Direktor des Walther-Schücking-Instituts, in welchen ganz unterschiedlichen Zusammenhängen nichtstaatliche Akteure für die Vereinten Nationen eine Rolle spielen: Genau genommen seien bereits die Vereinten Nationen als internationale Organisation ein nichtstaatlicher Akteur, natürlich gehe es aber vor allem um Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und andere nichtstaatliche Gruppen, die es in den Blick zu nehmen gelte, wenn wir über das Thema „nichtstaatliche Akteure“ sprechen.
Aus völkerrechtlicher Perspektive, so von Arnauld, stellten sich vor allem zwei Fragen: Wie kann zum einen die Rechtsbindung solcher Akteure – seien es private Sicherheitsdienstleister, seien es Gewaltakteure – sichergestellt werden? Und welcher Akteur ist letztlich für einen bestimmten Geschehensablauf rechenschaftspflichtig? Hier berührt die Frage nach der Einbindung nichtstaatlicher Akteure das Thema unseres letzten Forschungskolloquiums, in dem es um Verantwortung und Verantwortlichkeit in den Vereinten Nationen ging. Von Arnauld arbeitete heraus, dass sich das Völkerrecht trotz vielversprechender Ansätze nach wie vor schwer damit tut, die vielfältigen Beziehungen zwischen nichtstaatlichen Akteuren, Staaten und internationalen Organisationen in der Sprache des (Völker)Rechts zu beschreiben: letztlich seien nichtstaatliche Akteure nach wie vor „die Anderen“ im orthodoxen Völkerrecht. Mit Blick auf die Governance-Debatten, die in der Rechtswissenschaft vor allem im Europarecht geführt werden, plädierte er für eine Öffnung.
Derart eingestimmt formulierten die Teilnehmer*innen am nächsten Morgen im Rahmen einer kurzen Eröffnungsdiskussion zunächst das eigene Forschungsinteresse und tauschten sich über unterschiedliche Vorverständnisse zu dem Begriff „nichtstaatlicher Akteur“ aus, bevor sie in die Diskussion der einzelnen Papiere einstiegen. Bereits während der Eröffnungsdiskussion, aber vor allem dann durch die Präsentation der Papiere zeigte sich: Je nach Perspektive werden nichtstaatliche Akteure eher als positiv oder als negativ wahrgenommen. Das ist zunächst nicht verwunderlich: Wer sich mit NGOs beschäftigt, wird in der Regel nach ihren Teilhaberechten fragen, die grundsätzlich – trotz aller Kritik im Detail – als positiv für den Politikprozess angesehen werden. Dagegen sind nichtstaatliche Gewaltakteure an der ganz überwiegenden Mehrzahl bewaffneter Konflikte beteiligt und häufig auch zumindest eine Ursache solcher Konflikte. Geht es hier also vor allem um die Frage, wie solche Akteure einzuhegen sind, so werden NGOs vor allem aus der Perspektive einer möglichen Stärkung ihrer Position untersucht.
Wie in den Vorjahren wurden die Papiere nicht von den jeweiligen Autor*innen, sondern durch Diskutant*innen vorgestellt. Abgerundet wurde das Forschungskolloquium durch ein Rahmenprogramm mit Lokalbezug: Während eines Besuchs der German Naval Yards, Kiels größter Schiffswerft, die weithin das Stadtbild prägt, erhielten wir interessante Einblicke in die Arbeit eines international agierenden Unternehmens. Wirtschaftsunternehmen standen zwar nicht direkt im Fokus der einzelnen Papiere, sind aber selbstverständlich eine weitere Kategorie privater Akteure, die es zunehmend auch mit Blick auf die Vereinten Nationen in den Blick zu nehmen gilt.
Gedankt sei an dieser Stelle dem Walther-Schücking-Institut für die hervorragende Unterstützung und reibungslose Organisation. Mit Blick auf die Kieler Förde ließ es sich in einem entspannten Rahmen intensiv diskutieren. Hierfür danken wir natürlich vor allem den Teilnehmer*innen.
Hannah Birkenkötter